Reisen in internatioinale Theaterwelten
40 Jahre  Theaterlabor Bielefeld
Hrg.: Siegmar Schröder und Henning Fülle

Im September 2024 ist dieses Lesebuch des freien Theaters erschienen – eine europäische Theaterreise mit kleinen Abstechern nach Übersee. Es zeigt am Beispiel der mehr als hundert internationalen Begegnungen in Workshops, Festivals, Koproduktionen und diversen Projekten die Entstehung eines großen internationalen Beziehungsgeflechts. Innerhalb des Gesamtwerkes des Theaterlabors sind die internationalen Austausche nur ein Teilaspekt, aber die Prägung der künstlerischen Methodik und Ästhetik durch diese Einflüsse war wegweisend. Dieses Buch bietet tiefe persönliche Einblicke, viele Gesprächssituationen und Interviews bringen ungewöhnliche Blickwinkel auf die Biographien von Siegmar Schröder, den anderen Gründungsmitgliedern des Theaterlabors und den langjährigen Wegbegleiter*innen.
Viele Beiträge und Interviews zeigen das Theaternetzwerk in der ganzen Vielfalt und spiegeln die Zusammenhänge aus verschiedenen Perspektiven.

Henning Fülle ordnet die Fragmente zu einem gesellschaftlichem und kulturellem Gesamtbild und beschreibt, wie Anfang der 1980er Jahre aus der bis dahin eher nomadisierenden „freien“, „alternativen“ Theaterszene in der Bundesrepublik viele Produktions- und Spielstätten hervorgingen. Die Protagonist*innen des Freien Theaters, die in den 1970er Jahren ihre zunächst vor allem politischen Motive durch selbstorganisiertes Lernen zur Gestaltung von professioneller Bühnenkunst entwickelt hatten, waren soweit, Institutionen zu bilden. Wie für die Ausbildung bezogen sie sich dabei vor allem auf ausländische Vorbilder: Das Theaterlaboratorium Grotowskis in Polen, Teatro Nucleo, Teatro Potlach und viele andere Gruppen in Italien wie auch Eugenio Barbas Odin Teatret aus Dänemark oder Ariane Mnouchkines Thêatre du Soleil in Paris. Seinerzeit kaum beachtet bzw. vom Theater- und Kulturestablishment geringschätzig als „Laienspiel“ bezeichnet, bildete sich gleichwohl in der Theaterlandschaft eine breite Parallelstruktur, die den Fundus für das Freie Theater bildete, das schließlich Anfang der 2000er Jahre seine Anerkennung als „Zweite Säule“ erfuhr und deren Arbeiten die Innovationen vorangetrieben haben, die heute zeitgenössische Theaterkunst ausmachen.
Das Theaterlabor Bielefeld als eine dieser Institutionen, 1983 von Siegmar Schröder mit Studierenden gegründet, ist ein prägnantes Beispiel für diese Entwicklungsdynamik und die Entfaltung künstlerischer Potenziale. Ein Ensemble, das kollektiv und egalitär die Gegenstände und Themen seiner künstlerischen Arbeit selbst bestimmte; sich permanent bei den großen, beispielgebenden Künstler*innen des „anderen Theaters“ in Europa aus- und weiterbildete, das zu internationalen Festivals eingeladen wurde und schon früh auch selbst Festivals und Koproduktionsbeziehungen in ganz Europa und bis nach Nordamerika entwickelte – als Lern- und Austauschformate – und schließlich eine Institution bildete, die Bestand hat und inzwischen von einer nachgewachsenen Generation übernommen wurde. 
Die Entwicklung dieser Theaterkunst aus der Kraft der Selbstermächtigung wird von Siegmar Schröder und Henning Fülle in Berichten und Interviews, Gesprächen und Erinnerungen nachgezeichnet und in den Kontext der künstlerischen und institutionellen Aufbrüche der westdeutschen Theaterlandschaft seit den 1970er Jahren eingebettet.

Interviews mit: Eugenio Barba, Nullo Facchini, Horazio Czertok, …..

Verlag Theater der Zeit
gefördert durch die NRW Kunststiftung, den Landschaftsverband Westfalen-Lippe und die Sparkasse Bielefeld